>>Wolfgang Stockhaus

ÖFFENTLICHKEITSARBEIT ZUR ARCHITEKTUR UND BERLINER STADTGESCHICHTE

Architektur und Städtebau im Nachkriegsdeutschland

Städtebau und Architektur, welche hier behandelt und dargestellt werden, umfassen einen Zeitraum von etwa 1955-2000. Diese Jahrzehnte sind in vieler Hinsicht interessant, als sich gravierende Auffassungen über die Moderne und was darunter zu verstehen ist, sehr widersprüchlich darstellen und noch ablesbar sind. Gegenwärtig beanspruchen folgende Achitektursprachen für sich die Moderne zu vertreten: Klassische Moderne –Bauhaus, organisches Bauen, Brutalismus, Glasarchitektur – curtain wall construction-, Postmoderne, Dekonstruktivismus, Neoklassizismus.
Diese zunächst sieben Auffassungen – es kommen noch nicht benennbare hinzu – gestatten doch die Frage, ob das Zeitalter, in dem man sich darüber einig war, was unter Architektur und Städtebau zu verstehen ist, der Vergangenheit angehört.Immerhin heißt Architektur ja Baukunst. Ob computergestützte, dekonstruktivistische Formen diesem Begriff entsprechen, bedarf noch einer genaueren Definition. Ebenso gilt dieses für Gebäude, welche sämtliche konstruktiven Auswüchse, welche Stahl und Stahlbeton so hergeben, um mit spektakulären Solitären aufzufallen.

Entscheidend für die Epoche nach der Katastrophe des 2. Weltkrieges, dessen Hinterlassenschaften, die durch Bombenteppiche zerstörten Städte Deutschlands, sind die Überlegungen der Stadtplaner und Architekten, wie mit diesem Erbe umzugehen sei. Parallel zum dem heutzutage nicht mehr vorstellbaren Elend, Hunger und Kälte, dominierte zunächst der Abriss und die Beseitigung der Trümmermassen, wobei durchaus erhaltenswesenswerte Architektur, z.B. das Warenhaus Wertheim von Messel am Leipziger Platz - es existierte noch bis Mitte der 50-iger Jahre - in einer Art von Abrisswahn, ebenfalls der Enttrümmerung zum Opfer fielen, gleich in Ost und West, sowie der barbarische Akt das nur ausgebrandte Berliner Schloss wegzusprengen.
Die zu erwartenden Verkehrsströme bestimmten jedoch bald den Städtebau mit dem Slogan der “autogerechten Stadt“. Die menschengerechte Stadt stand nicht auf der Tagesordnung. Diese für Jahrzehnte geltende Auffassung hat irreversible Schäden hinterlassen. Über Jahrhunderte gewachsende Stadtstrukturen wurden durch Stadtautobahnen oder Tangenten zersägt, schlimmstes Beispiel in Berlin: die Überbauung des Breitenbachplatzes, ein klassisches Ensemble der Moderne der zwanziger Jahre, mit einer überflüssigen, den Platz und Stadtraum zerstörenden Stadtautobahn, ganz abgesehen von der Zerstörung der dort typischen Stadtatmosphäre.
Was an unbebaubaren Flächen übrig blieb, erhielt strenge Ausnutzungsvorgaben per Gesetz, durchaus verständlich, sollte doch mit geringstem Materialaufwand soviel wie möglich Wohnraum geschaffen werden. Um den Millionen Menschen, die ihre Wohnung oder Haus verloren hatten, ein menschenwürdiges Wohnen zu ermöglichen, allerdings auf minimalen Flächen. Dieses Programm im sozialen Wohnungsbau hatte in kurzer Zeit wieder den notwendigen Wohnraum geschaffen, sodaß schon Ende der 60-iger Jahre der Bedarf im Wesentlichen gedeckt war. Diese Leistung der jungen Bundesrepublik kann nicht genug hervorgehoben werden und bedarf hier der besonderen Erwähnung und war ein wesentlicher Bestandteil des sogenannten Wirtschaftswunders.
Nur eines geriet fast in Vergessenheit, die Architektur. Es gab eben nicht genug begabte Architekten, welche auch die bescheidensten Wohnbauten mit einem Gefühl für gute Proportionen architektonisch hätten gestalten können. Dieser Tatbestand für die nachfolgenden Generationen ist wichtig, um die Ursachen für die teils langweiligen und disproportionierten Bauten zu kennen, was ebenso für den Städtebau gilt, da sich in sämtlichen Neubaugebieten keine Stadtatmosphäre und städtisches Leben entwickeln konnte.
Thema Moderne: Für uns junge Architekten der Nachkriegszeit waren das Bauhaus und jene Architekten das Vorbild, welche in den 20-iger Jahren die vorbildlichen Wohnsiedlungen,- in Berlin z.B. Weiße Stadt, Hufeisensiedlung, Onkel-Tom-Siedlung- , Rathäuser, Kirchen Schulen und eine Vielzahl öffentlicher Einrichtungen planten und realisierten. Die vom Bauhaus inspirierten Leistungen zeigten ja, wie mit einfachen Formen funktional gelungene Grundrisse eine Wohn- und Nutzungsqualität erreicht wurde, die mit relativ geringem finanziellem Aufwand erreichte, worauf es ankommt, die wesentlichen Bedürfnisse mit bezahlbaren Mieten zu erfüllen. Die gelungene Antwort auf die armseligen und unmenschlichen Hinterhofwohnungen und Kellerbehausungen des ausgehenden 19. Jahrhunderts.
Diese weltweit anerkannte Bauhausidee zeigte auch ihre Schattenseiten, wo es nach dem Krieg um Massenwohnungsbau ging. Verfügten die 20-iger Jahre mit Architekten wie Bruno und Max Taut, Mies-van-der Rohe, Hans Scharoun, Peter Behrens, Erich Mendelssohn, Hans Poelzig, Wassili Luckhardt u.A. über Qualitäten, welche die Bauhausidee auch erfolgreich umsetzen konnten. Das besagt, nur wenige können mit den Vorgaben des Bauhauses gute Architektur zustande bringen. Es gilt nur Flächen und Öffnungen, zueinander geordnete Baukörper, flache Dächer, die Farbe weiß zur Verfügung zu haben, um geordnete, richtig proportionierte Architektur zu realisieren. Dazu gehören außergewöhnliche Fähigkeiten. Inzwischen ist es soweit gekommen, dass Flachdach und die Farbe weiß ausreichen, um als moderne Architektur anerkannt zu werden.
Darauf gab und gibt es verständlicherweise Reaktionen. Die erste, die Postmoderne, versuchte mit Giebelchen, Erkern und anderen Rückgriffen, etwas für das Auge zu gestalten. Es entsprach in keiner Weise dem Anspruch zeitgemäßer Architektur und geriet in Vergessenheit. Die Ursache für diese Entwicklung ist im Absolutheitsanspruch der Moderne zu sehen, sowie begleitende Slogans wie “Ornament und Verbrechen“ oder „Form follows function“ oder “less is more“. Auf dieser Basis hatte sich die Moderne festgefahren, eine Weiterentwicklung ergab sich nicht, also endete es in der klassischen Moderne.
In diesem Zusammenhang sollte der Begriff “Die Moderne“ unter die Lupe genommen werden. Modern, das Adjektiv von Mode, bedeutet in der Bekleidungsbranche häufiger Wechsel der Moden. Die schon genannten sehr unterschiedlichen Architekturen reklamieren - jede für sich – das Ediket die MODERNE. Ja, welche denn nun ? Wohin das führt, sind exaltierte Auswüchse wie Hochhäuser in Form eines Korkenziehers oder anderer Verformungen. Andererseits wird Gebäuden mit einem Regen abweisendem Dach, gleich welcher Form, das Prädikat moderne Architektur verweigert. Mit anderen Worten, der Begriff modern hat weder mit Bauen, geschweige denn mit Architektur etwas zu tun. Es geht und ging stets um zeitgemäßes Bauen auf dem neusten Stand der Technik, und wenn es gut geht, kann sogar Architektur daraus werden.
Tiefseetraum